Orientierung
Wenn im entscheidenden Augenblick der Akku versagt, der GPS-Empfang nicht da ist oder gar kein Mobiltelefon da ist, sollte man wissen, wie man seinen Standort mit Karte und Kompass feststellen kann. Dieses Kapitel legt ein paar theoretische Grundlagen. Am Ende sind kurze Übungen dazu eingebaut, die ihr in der Sippenstunde durchführen könnt.
Kartenkunde
1. Allgemeines
Eine Karte, wie wir sie benutzen, stellt ein winkel- oder längentreues Abbild eines Teiles der Erdoberfläche in einer maßstabgerechten Verkleinerung dar.
2. Das Gradnetz
Das Gradnetz dient dazu, jeden Punkt unserer Erdoberfläche durch ein Zahlenpaar genau fixieren zu können. Dazu werden gedachte Linien ausgehend vom Nord- zum Südpol über die Erdoberfläche gelegt. Sie werden als Meridiane oder Längenkreise bezeichnet. Genau in der Mitte wird der Äquator gezogen. Er ist der nullte Breitengrad.
Die folgende Abbildung gibt die wichtigsten Bezeichnungen wider.
Abb 1: https://www.raonline.ch/pages/edu/ur2/gradnetz002.html, 29.01.23
Es gibt 360 Meridiane, sie verlaufen von Nord nach Süd, also senkrecht zum Äquator. Der Null-Meridian verläuft durch die Sternwarte Greenwich. Von hier aus erfolgt die Einteilung in 180 Meridiane nach Westen und 180 Meridiane nach Osten.
Der Äquator teilt die Erde in einen nördlichen und in einen südlichen Bereich. Von ihm aus gibt es 90 Breitengrade bis zum Nordpol und 90 Breitengrade bis zum Südpol.
Auf den Karten, die wir benutzen, ist neben der Gradeinteilung eine weitere Kombination von Zahlen umlaufend am Rande der Karte aufgedruckt. Oft haben beide Einteilungen unterschiedliche Farben. In der folgenden Abbildung ist die Bezeichnung in Grad schwarz gedruckt, das so genannte Gauss-Krüger – Gitter in blau.
Abb 2: Gauss-Krüger-Gitter und Gradnetz
Die wichtigsten Unterschiede vom Gauss-Krüger-Gitter zum Gradnetz ist, dass das Gauss-Krüger-Netz ein mathematisches, rechtwinkliges Koordinatensystem ist: Die Rechtswerte entsprechen den X-Werten, die Hochwerte den Y-Werten. Die X-Achse ist der Äquator selbst, während die Y-Achse eine 500 km vom Mittelmeridian entfernt, parallel hierzu verlaufende Achse darstellt. Vorteil des Gauss-Krüger-Gitternetzes ist, dass die Abstände der einzelnen Gitternetzlinien immer den gleichen Wert haben, nämlich immer 1 km! In der Abbildung oben ist aufgrund des Maßstabes der Abstand 2 km dargestellt. Dadurch, dass die Erde eine Kugel ist, werden bei der Gradeinteilung diese Abstände nach Norden und nach Süden immer kleiner. Wer Genaueres zur Kartenkunde wissen möchte, dem empfehlen wir die persönliche Recherche!
3. Die wichtigsten Zeichen auf der Karte
Karten werden immer zu einem bestimmten Thema hergestellt und nicht jede Karte eignet sich dazu, als Grundlage zum Wandern zu dienen. Was die einzelnen Zeichen auf der Karte bedeuten ist in der Legende dargestellt. Diese befindet sich meist unten rechts auf der Karte, manchmal allerdings auch auf der Rückseite der Karte. Man darf wissen, dass Karten, die zum Wandern dienen sollen auch beabsichtigte Fehler enthalten können. So ist die Breite eines wichtigen Flusses oder einer Straße meist falsch widergegeben. Beispiel: auf einer topographischen Karte mit dem Maßstab 1:50.000 ist ein Weg mit einer Breite von 1 mm eingezeichnet. Umgerechnet wäre er dann 50m breit…
4. Maßstab
Alle Karten werden in bestimmten Maßstäben gedruckt. Dabei beziehen sich die Angaben darauf, welche Entfernung auf der Karte, welche Entfernung in der Natur / in der Wirklichkeit entspricht – und zwar in Zentimetern. Beispiel Maßstab 1: 200.000 bedeutet: 1 Zentimeter auf der Karte sind 200.000 Zentimeter in der Natur – umgerechnet sind das dann 2 Kilometer. Damit euch das Umrechnen leichter fällt, haben wir hier eine Tabelle mit den gängigsten Maßstäben bei Wanderkarten für euch eingefügt:
Maßstab | Karte / Natur |
1 : 25.000 | 1 cm = 250 m à 4 cm = 1 km |
1 : 50.000 | 1 cm = 50 m à 2 cm = 1 km |
1 : 100.000 | 1 cm = 1000 m à 1 cm = 1 km |
1 : 200.000 | 1cm = 2000m à 0,5 cm = 1 km |
Für uns relevant sind die Karten im Maßstab 1 : 25.000 und 1 : 50.000. Diese Karten sind sehr detailgenau! Karten im größeren Maßstab eignen sich dafür, einen Überblick über das Fahrtengebiet zu gewinnen.
Welche Karten ihr für euer Fahrtengebiet benötigt, haben wir auf der Homepage verlinkt!
5. Höhenlinie
Eine Karte ist die senkrechte und maßstabgetreue Projektion der Wirklichkeit auf Papier, oder anders gesagt, die dreidimensionale Landschaft wird verkleinert auf zwei Dimensionen. Dadurch können Berge und Täler nicht richtig dargestellt werden, weshalb man sich hier Punkte, die die gleiche Höhe über dem Meer haben als Linien verbunden eingetragen hat. Dadurch kann bei einem geübten Betrachter der Eindruck der dritten Dimension, der Höhe entstehen. Diese Linien werden Höhenlinie genannt und haben bei einer Karte von 1 : 50.000 einen Höhenabstand von 10 m. Dort, wo die Linien sehr eng aneinander stoßen, ist also steil, dort wo mehr Abstand zwischen ihnen ist, ist es flacher. Auch dieses kann und sollte man bedenken, wenn man seine Route plant.
6. Planung auf Grundlage einer Karte
Um Längen und Zeiten abzuschätzen, sollte man die gemessenen Entfernungen mit dem Faktor 1,5 multiplizieren, da Steigungen an Hügeln und Bergen nur über Höhenlinien, nicht aber der längere Weg auf einer Karte dargestellt werden können.
Für die Planung der Wegstrecke am nächsten Tag kann man in einer gut eingespielten Sippe zwischen 3 und max. 5 km pro Stunde annehmen. Immer wieder kommt es zu Verzögerungen, mal drückt der Schuh, mal gibt es eine Trinkpause, muss der Weg an einer Kreuzung auf der Karte nachgeschaut werden. Die Fragen „Wo sind wir jetzt?“ und „Wie lange dauert es noch?“ sind willkommende Unterbrechungen.
Bereitet die Strecke für den nächsten Tag am Abend vorher im Detail vor, sucht mögliche Schlafplätze, schaut, wo man Rast machen könnte und wo man einkaufen kann, wo gibt es Wasser. Bestimmt täglich ein verantwortliches Mitglied der Sippe, das euch am nächsten Tag führt! Meidet viel befahrene Straßen und Asphalt!
Kompasskunde
Ein Kompass sollte robust sein! Sein Gehäuse ist aus Metall oder Kunststoff. Die Magnetnadeldose sollte füssigkeitsgedämpft sein und keine Luft oder Luftbläschen enthalten. Gut ist es, wenn die Magnetnadel auch im Dunklen oder bei einsetzender Dämmerung ablesbar ist. Er sollte eine einstellbare Deklinationskorrektur haben. Ein guter Kompass für unsere Zwecke muss nicht mehr als 20 € kosten.
1. Grundsätzliches zum Kompass
Der Kompass dient ganz allgemein zum:
- Feststellen der Nordrichtung
- Einnorden der Karte
- Feststellen des eigenen Standortes
- Bestimmen und Einhalten der Richtung
Die Kompassnadel zeigt immer auf den magnetischen Nordpol (wir sind nicht im Physikunterricht: der Pol der im Norden liegt müsste ja eigentlich Süd magnetisiert sein… es hat für uns aber keine Relevanz). Die Gitternetzlinien und die geografische Nordrichtung weichen aber von dieser magnetischen Nordrichtung etwas ab, da der magnetische Nordpol zum einen wandert, zum anderen nicht nur ein Punkt ist. Diese Abweichung (auch Missweisung) nennt man „Deklination“ und ist je weiter man nach Norden kommt immer größer bzw. bedeutender. Zurzeit liegen magnetischer und geografischer Nordpol etwa 800 km auseinander. Der genaue Werte für die Missweisung ist auf amtlichen Karten angegeben.
Die Kompassnadel wird u.a. von Eisenteilen, Bauten aus Stahl und Stahlbeton, Hochspannungsmasten, Kraftfahrzeugen, Bahngleisen, …, Taschenmesser abgelenkt. Haltet deshalb etwas Abstand von Bauten und Gegenständen, wenn ihr den Kompass benutzt.
Abb 3: Der Kompass
a. Feststellen der Himmelsrichtung in der Natur
- Halte den Kompass ruhig und waagerecht in der Hand. Drehe die Magnetnadeldose so lange, bis die Magnetnadel (der Nordteil ist meist gekennzeichnet) auf die Missweisungsmarke gerichtet ist.
- Alle anderen Richtungen sind somit gegeben und ablesbar.
Feststellen der Himmelsrichtung auf der Karte
- Alle amtlichen Karten sind so dargestellt, dass die Gitterlinien die Nord-Süd bzw. Ost-West-Richtung angeben. Ortsnamen sind immer genau in West-Ost-Richtung geschrieben!
- Die Kartenränder selbst geben ebenfalls genügend genau die vier Himmelsrichtungen wieder.
Festlegung der Zielrichtung (Marschrichtung) in der Natur
- Das Ziel wird mit dem Kompass über Kimme und Korn angepeilt.
- Die Magnetnadeldose wird bis in die magnetische Nordrichtung gedreht, d.h. die Magnetnadel weist auf die Deklinationsmarke
- Der zwischen Zielrichtung und der geographischen Nordrichtung liegende Winkel (=Azimut) wird in Grad oder als Marschzahl abgelesen.
- Die Azimutablesung erfolgt immer im Uhrzeigersinn – von der geografischen Nordrichtung ausgehend
b. Einnorden der Karte
- Bringe die Karte mit der Nordrichtung im Gelände in Übereinstimmung:
Dazu gehe wie folgt vor:
- Die Kompassskala wird auf Null gestellt, d.h. die geografische Nordrichtung deckt sich mit der Feststellmarke
- Der Kompass wird so auf die Karte gelegt, dass die Längsseite = Anlegekante parallel zu einer Nord-Süd-Gitternetzlinie der Karte verläuft
- Karte und Kompass werden in dieser Lage zusammen solagne gedreht, bis die Magnetnadelspitze auf die Missweisung zeigt.
- Die Karte ist somit „eingenordet“.
c. Standortbestimmung
Abb 4: Kartenausschnitt zur Standortbestimmung. „S“ = Standort in der Natur, gesuchter Standort
- Die Aufgabe besteht darin, den eigenen unbekannten Standort zu bestimmen
- Voraussetzung: Mindestens zwei markante Punkte (Kirchen, Bergkuppen, …) müssen im Gelände sichtbar und auch auf der Karte bekannt sein
- Die Punkte sollten annähernd im rechten Winkel zueinander stehen – je spitzer der Winkel, desto ungenauer ist das Resultat
- Die Karte braucht nicht eingenordet zu sein
- Die beiden in der Natur bekannten Punkte werden auf der Karte kenntlich gemacht
- Vom Standort „S“ aus wird zunächst der Punkt „A“ angepeilt und er Azimut bestimmt (s.o.)
- Der so bestimmte Azimut wird auf die Karte übertragen à die Ecke des Kompasses liegt gemäß obiger Abbildung am Punkt „A“. Der Kompass wird nun so lange um diesen Punkt gedreht, bis dessen West-Ost-Linien parallel zu den West-Ost- Linien der Karte zu liegen kommen. Die so gefundenen 1. Richtung wird auf der Karte markiert
- Mit Punkt „B“ wird wie unter 6. und 7. Verfahren
- Der Schnittpunkt beider Richtungen ergibt den Standort auf der Karte.
d. Bestimmen und Einhalten der Richtung
- Suche im Gelände einen markanten Punkt, der natürlich auf eurem Weg liegen sollte
- Peile ihn mit dem Kompass an und merke dir die Marschzahl.
- Beim Weiterwandern versuche nun möglichst genau dieser Marschzahl zu folgen. Das wird allerdings nicht immer möglich sein, da Moore und dichte Wälder, Flüsse oder Seen im Wege sein könnten.