„Es war im Jahre 1890. Deutschstunde in der Untersekunda der Magdeburger Guerickeschule. Einer von uns las das fällige Lesestück vor. Es hieß „Hoch das Wandern“. […] Das packte. Wenigstens den Schüler Hermann Hoffmann, der von Stund’ an die Wanderleidenschaft nicht mehr loswurde.“

(http://www.br-online.de/wissen-bildung/collegeradio/medien/geschichte/wandervogel/manuskript/doclink.pdf)

Um die Mitte der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts gründete Hoffmann einen Arbeitskreis für Stenographie an der Oberschule in Steglitz.

Bald traf sich die Gruppe nicht nur in der Schule, sondern verbrachte auch einen Großteil ihrer Freizeit miteinander. Zunächst machten sie Wanderungen in die nähere Umgebung.

Die Wanderungen wurden regelmäßiger und immer intensiver vorbereitet, es entstand eine verschworene Gemeinschaft. Die Jungen entdeckten plötzlich im Wandern einen neuen Lebensinhalt: Losgelöst vom Elternhaus und seiner Bevormundung die Welt erobern.

Ein Mitglied der Gruppe war Karl Fischer. Er gründete 1901 den "Wandervogel". Ein Verein, der den Schülern die Möglichkeit bot, sich zu gemeinsamen Wanderungen ohne Aufsicht durch Eltern oder Lehrer zusammenzufinden. Die gesamte Planung und Organisation dieser Wanderungen übernahmen die Jugendlichen selbst.

In der Kaiserzeit wurde die Selbstentfaltung von Kindern und Jugendlichen im Keim erstickt. Man erzog sie zu absolutem Gehorsam. Die Wandervögel waren die ersten, die sich gegen Schule, Elternhaus und Kaisertum auflehnten und in kniefreien Hosen in die Welt hinaus spazierten. Dieses war zur damaligen Zeit ein Unding! Die Jugend lehnte sich auf: Die Hemdkragen standen weit offen. Auf den Rucksack hatten sie den verrußten Hordenpott geschnallt. Die Gitarre hing locker über der Schulter, wenn sie nicht gerade ein derbes Lied sangen. Sie übernahmen die Sprache der Landstreicher – sie schockierten Eltern und Lehrer, die gesamte bürgerliche Welt. Viele Mitglieder hatten Eltern, die sich weit bequemere Reisen hätten leisten können. Dennoch zogen die Jugendlichen die Strapazen der Wanderung vor. Nach kilometerweiten Märschen fernab der Zivilisation übernachteten sie in Heuschobern, auf harten Böden, nur in eine Decke gehüllt. Sie saßen abends am Feuer und kochten sich ein spärliches Mahl.

Karl Fischer hatte dem Wandervogel die Richtung gewiesen und nun begann dieser, sich zu verselbstständigen. Zahlreiche Gruppen bildeten sich, darunter die ersten deutschen Pfadfinderbünde. Mädchen mussten sich ihren Stand erkämpfen. Nur in wenigen Gruppen wurde zusammen gewandert.